Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Göttingen

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Das Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Göttingen
Unser Projektgebiet ist der Altlandkreis Göttingen und die unbebaute Fläche der Stadt Göttingen. Auf diesen rund 1.200 km² werden 54 % landwirtschaftlich genutzt – der Rest ist Wald und Siedlungsfläche. Das Ziel ist, den Rebhuhnbestand zu halten und bestenfalls zu vermehren. Es ist jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe, die Landschaft auf dieser großen Fläche so zu verändern, dass sich der rückläufige Bestandstrend umkehrt. Um es gleich vorwegzunehmen: es ist uns nur lokal gelungen, den Rebhuhnbestand anzuheben.

Start
In einem Kurs zur Populationsbiologie der Uni Göttingen, Abteilung Naturschutzbiologie haben wir mit den uns damals zur Verfügung stehenden Daten das lokale Aussterberisiko der Rebhuhnpopulation im Landkreis Göttingen mit Hilfe eines Populationsmodells berechnet. Das Ergebnis war verheerend: In den nächsten Jahrzehnten muss man mit dem Aussterben der Rebhühner rechnen, selbst wenn sich die Landschaft nicht weiter verschlechtert: Die verbleibende Population ist so klein, dass die natürlichen Schwankungen des Bestandes (durch Wetter etc.) mit großer Wahrscheinlichkeit ein Aussterben herbeiführen werden (GOTTSCHALK & BARKOW 2005).

Nun sind diese Modelle nie besser als die Daten, auf denen sie beruhen und damals haben wir den Rebhuhnbestand der Region noch deutlich unterschätzt und hatten keine Daten zum Bruterfolg und zur Sterblichkeit der lokalen Population. Aber diese düstere Prognose war der ausschlaggebende Punkt für den Start des Projekts. Kurz darauf, im Jahr 2004, bot das Land Niedersachsen erstmals eine neue Agrarumweltmaßnahme an: Blühstreifen. Damit könnte man die Lebensräume für Feldvögel aufwerten! Leider war diese Maßnahme völlig ungeeignet für den Schutz der Rebhühner und vieler weiterer Tierarten: Es waren einjährige Streifen, die alljährlich im April neu angelegt wurden. Gerade wenn die Rebhühner im Frühjahr ihre Brutreviere gründen, ist der „Blühstreifen“ ein kahler Acker. Zum Glück erfuhren wir damals große Unterstützung von der Landwirtschaftskammer und vom Landwirtschaftsministerium, die unseren Ansatz interessant fanden: jeder Blühstreifen sollte alljährlich nur zur Hälfte bestellt werden und diese beiden Hälften werden alljährlich getauscht. Das Nebeneinander der vor- und diesjährigen Vegetation bietet dem Rebhuhn ganzjährig Deckung, einen Brutplatz und den Lebensraum für die Küken. Später erwies sich diese Form der Bewirtschaftung auch für viele weitere Feldbewohner als optimal.

Vor allem anfangs haben wir viel für die neue Maßnahme geworben: mit der Landwirtschaftskammer, dem Landschaftspflegeverband oder auch privat haben wir viele Info-Veranstaltungen für Landwirte organisiert. Besonders Werner Beeke hat sich in dieser Zeit mit über 200 Einzelberatungen sehr verdient gemacht. Um den Landwirten einen Anreiz für die zusätzliche Abweichung von der einjährigen Bewirtschaftung zu bieten, haben wir viele Jahre lang das Saatgut („Göttinger Mischung) ausgegeben. Insgesamt haben 90 Landwirte ca. 1.000 rebhuhngerechte Blühflächen von insgesamt 500 Hektar Fläche angelegt. Das war deutlich mehr, als wir anfangs erwartet hatten. Trotzdem sind das lediglich 0,8 % der landwirtschaftlichen Fläche.

Forschung
Wir begleiten die Aktivitäten zum Rebhuhnschutz mit intensiver Forschung am Rebhuhn. Insbesondere die Telemetriestudie mit über 200 wildlebenden, besenderten Rebhühnern hat wichtige Erkenntnisse erbracht: wo die Probleme des Rebhuhns in der modernen Agrarlandschaft liegen und wie man diese Probleme am besten lösen kann. Auch ein Monitoring der Bestandszahlen sollte ein Element in jedem Rebhuhnschutzprojekt sein.

Erfolge
Der wichtigste Beitrag, den das Projekt zum Schutz der Rebhühner leisten konnte, ist ein gut durchführbares Konzept, mit dem man etwas für Rebhühner tun kann – unterlegt mit wissenschaftlichen Daten. So sind die rebhuhngerechten Blühflächen trotz ihres geringen Flächenanteils zu einem der wichtigsten Brutorte von Rebhühnern im Landkreis geworden. Der Rebhuhnbestand ist - immerhin - stabil geblieben. Nur lokal auf ca. 10 km² in der Gemarkung um das Dorf Nesselröden haben Landwirte sehr viele Blühflächen angelegt, so dass 7 % der Ackerfläche zum optimalen Rebhuhnlebensraum wurde. Hier hat sich innerhalb von wenigen Jahren der Rebhuhnbestand von 4 rufenden Hähnen auf 37 verneunfacht. Dieses Beispiel zeigt, was sich mit Lebensraumaufwertungen für das Rebhuhn machen lässt. Ferner profitieren zahlreiche weitere Arten von dieser Art der Bewirtschaftung.

Angeregt durch unsere Ergebnisse zu den rebhuhngerechten Blühstreifen hat das Land Niedersachsen 2014 diesen als Agrarumweltmaßnahme strukturreicher Blühstreifen eingeführt. Jetzt kann also jeder Landwirt in Niedersachsen beim Rebhuhnschutz mitmachen!

Das Beispiel macht Schule: in vielen lokalen Rebhuhnschutzprojekten setzt man auf die zweigeteilten Blühflächen. Baden-Württemberg führt sie als Maßnahme ein und auch in den Niederlanden haben viele Kooperativen von Landwirten diese Maßnahme angelegt. In Belgien und England wird sie im Rahmen vom Projekt PARTRIDGE erprobt.

Misserfolge
Auf der landwirtschaftlichen Fläche des Landkreises ist mit lediglich 0,8 % Aufwertung durch Blühstreifen nicht genug geschehen, um den Rebhuhnbestand anzuheben. Erst Flächenanteile von 5 - 7 % würden Erfolge bringen, nicht nur für das Rebhuhn.

Leider wird auch noch viel Geld für eine qualitativ weniger wirksame Maßnahme ausgegeben: 2020 sind noch immer die Hälfte aller Blühflächen in Niedersachsen einjährig. Niedersachsenweit wurden für das Jahr 2021 insgesamt 8400 Hektar rebhuhngerechte Blühflächen von Landwirten beantragt (laufende und neue Verträge). Das sind lediglich 0,3 % der landwirtschaftlichen Fläche des Landes. Mit dieser geringen Dichte können die Blühflächen den Rückgang der Rebhühner nicht aufhalten. Und seit 2006 ist in Niedersachsen der Rebhuhnbestand um 70 % gefallen! Die Zeit zum Handeln läuft langsam ab!


Literatur
GOTTSCHALK, E., BARKOW, A. (2005): Ist das Rebhuhn noch zu retten? Eine populationsbiologische Gefährdungsanalyse des Rebhuhnbestandes im Raum Göttingen. Gött. Nat.kdl. Schr. 6: 117–140.

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