Rebhühner auswildern
Mit gut gemeinten, aber schlecht gemachten Auswilderungen kann man am Restbestand der wildlebenden Rebhühner mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Dazu ein paar wichtige Grundsätze:
Niemals Tiere in eine Landschaft aussetzen, in der sie ausgestorben sind, ohne vorher die Ursachen des Aussterbens zu beseitigen! Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Wer drei, vier Brachen oder Blühflächen vor der Haustür hat, kann auf die Idee kommen, das ist doch ein Lebensraum und es sind keine Rebhühner drin. Also auswildern! Nein, der Lebensraum muss die Kapazität für eine Population haben. Die drei, vier Brachen bieten aber nur Lebensraum für drei Paare und das kann langfristig nicht gut gehen. Bevor man aussetzen will, ist erheblich mehr Aufwand nötig.
Niemals irgendwelche Rebhühner unbekannter Herkunft aussetzen! Beim Rebhuhn gibt es mehr lokale genetische Unterschiede als bei anderen Vogelarten (LIUKKONEN-ANTILLA et al. 2002). Diese lokal angepassten Typen können sehr unterschiedlich sein. In Skandinavien legen Rebhühner mehr Eier pro Gelege, machen aber viel seltener ein Nachgelege. In England lösen sich die Rebhuhnketten schon einen Monat früher auf als in Mitteleuropa und die Rebhühner verpaaren sich mitten im Winter. Osteuropäische Rebhühner sehen anderes aus, mit schwarzem Brustfleck und abweichender Kükenfärbung. In den Niederlanden schlüpfen die ersten Küken schon ein bis zwei Wochen vor den ersten Küken in Mitteldeutschland. In einigen Regionen Dänemarks etwa ist der heimische Rebhuhnbestand leider schon durch Aussetzungen mit Zucht-Rebhühnern genetisch verändert (ANDERSEN & KAHLERT 2011). In Irland dominiert längst der Bestand aus Aussetzungen von Rebhühnern mit osteuropäischer Herkunft (LIUKKONEN-ANTILLA et al. 2002). Diese fehlenden Anpassungen an lokale Bedingungen muss man als zusätzlichen Gefährdungsfaktor ansehen. Wer also aussetzen will muss sich zunächst um Vögel aus regionaler Abstammung kümmern. Rebhühner aus kommerziellen Zuchten stammen oft vom osteuropäischen Stamm ab. Außerdem werden sie seit Generationen in Gefangenschaft gezüchtet, was erste Domestikationserscheinungen mit sich bringt, wie z.B. übergroße Gelege von 40 Eiern. Mit dem Aussetzen solcher Vögel kann man am restlichen Wildbestand großen Schaden anrichten!
Unterschätzt nicht die Mobilität der noch vorhandenen Rebhühner! Zwar sind Rebhühner wesentlich standorttreuer als andere Vögel, aber nach der Kettenauflösung sind wenige Kilometer Ausbreitung bei den frischen Paaren normal (GOTTSCHALK & BEEKE 2014). Wenn es in einigen Kilometern Entfernung noch Rebhühner gibt, sollte man auf diese Vögel setzen. Rebhennen verpaaren sich übrigens fast nie mit ihren Brüdern, eher fliegen sie weit davon (20 km nachgewiesen OLESEN 2017). Inzucht tritt also nicht so schnell auf, wie man annimmt.
Rebhühner züchten: Evtl. entscheidet man sich nach allen Abwägungen doch für das Aussetzen. Da es in Deutschland nirgends mehr Rebhuhnbestände gibt, die ein massives Abfangen für Aussetzungen vertragen, muss man den regionalen Stamm züchten. Um das Fangen wildlebender Rebhühner zu vermeiden, sollte man auf ausgemähte Gelege warten, um daraus einen Zuchtstamm aufzubauen. Sogar das Aussetzen ist also nichts für Ungeduldige! Genehmigungen der Behörden und des Jagdpächters werden bei Entnahme und Haltung benötigt! Behördlich festgelegte Mindeststandards für Volieren sind einzuhalten (mindestens 12 m² für 1 Paar)! Rebhühner sind nicht leicht aufzuziehen, sie brauchen wesentlich mehr Proteine als Hühnerküken und sie stecken sich auch leicht mit Krankheiten bei anderem Geflügel an. Macht man alles richtig, werden solche Handaufzuchten später in Volieren ausgezeichnete Zuchtvögel, weil sie viel zutraulicher sind und Verletzungen durch panisches Auffliegen ausbleiben. Allerdings brüten Hennen oft schlecht (z. T. gar nicht), die mit ihren Brüdern zwangsverpaart wurden. Auch der Züchter sollte Inzucht vermeiden. Daher macht die Aufzucht aus ausgemähten Gelegen nur dann Sinn, wenn man ein Netzwerk organisiert, das einen Austausch der wertvollen heimischen Zuchtvögel ermöglicht. In Bayern und Niedersachsen gibt es erste Bemühungen der jeweiligen Landesjagdverbände, solche Zuchtbestände lokaler Herkunft aufzubauen.
Literatur
ANDERSEN, L.W., KAHLERT, J. (2011): Genetic indications of translocated and stocked grey partridges (Perdix perdix): Does the indigenous Danish grey partridge still exist? Biological Journal of the Linnean Society, 2012, 105, 694–710.
GOTTSCHALK & BEEKE (2014): Wie ist der drastische Rückgang des Rebhuhns (Perdix perdix) aufzuhalten? Erfahrungen aus zehn Jahren mit dem Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Göttingen. Ber. Vogelschutz 51, 95–116.
LIUKKONEN-ANTILLA, T., UIMANIEMI, M., ORELL, M. & LUMME, J. (2002): Mitochondrial DNA variation and the phylogeography of the grey partridge (Perdix perdix) in Europe: from Pleistocene history to present day populations. Journal of Evolutionary Biology 15: 971–982.
OLESEN, C.R. (2017): New findings in dispersal, habitat-related breeding success and predation in Danish Grey Partridge. P.293 in BRO, E. & GUILLEMEIN, M. (eds): 33rd IUGB congress & 14th Pedix Symposium abstract book. ONCFS, Paris.